51 Extrembergsteiger Jost Kobusch im Interview | Effizienz durch Faulheit und der Weg in die Stille

In dieser Folge ist es mir eine große Freude den Extrembergsteiger Jost Kobusch begrüßen zu dürfen! Jost Kobusch klettert meist solo, ohne Sauerstoff und ohne Unterstützung durch Träger auf die hohen Berge dieser Welt. So hat er sich bereits im Herbst 2019 nach Nepal aufgemacht, um den Mount Everest im Winter solo und ohne Hilfe auf einer selten begangenen Route zu besteigen. Beeindruckend: Zwischen 7.350 und 7.380 Metern von 8.848 Metern kehrte er um. Und dass, obwohl das Wetter zu halten schien. Dennoch hörte Jost lieber auf seine Intuition und machte sich auf den Rückweg. Eins ist sicher: Er wird wieder kommen und dann auf seine bereits gemachten Erfahrungen zurückgreifen können.

Sebastian: Jost, herzlichen willkommen!

Jost: Ja, Servus, Sebastian. Schön, hier zu sein.

Wie Du Deine Höhenangst verringerst und warum Angst auch nützlich ist

Sebastian: Schön, dass du hier bist und dass du dir Zeit genommen hast. Ich starte direkt. Als du in der sechsten Klasse mit dem Klettern begonnen hast, hattest du zunächst Höhenangst. Durch Vertrauen in deine Seile und auch deinen Sicherungspartner hast du die für das Klettern indoor abgebaut. Heute kletterst du ja komplett frei, ganz ohne Seil, und hast auch keinen Sicherungspartner mehr. Konntest du deine Höhenangst vollständig überwinden? Und wenn ja, wie hast du denn das gemacht?

Jost: Also kleiner Disclaimer vorab: Ich würde nicht sagen, dass ich die Angst, die dahintersteckt, grundsätzlich überwunden habe, und ich würde auch nicht sagen, dass ich nur ohne Seil unterwegs bin. Also, klar, meine Projekte, die ich tue, die großen Sachen, die sind alle irgendwie sehr minimalistisch. Da bin ich alleine unterwegs, da bin ich solo unterwegs, aber ich klettere immer noch sehr viel mit Seil und ich habe auch immer noch sehr viel Angst.

Hier kannst Du Dir das Interview auch auf YouTube ansehen

Sebastian: Du hast aber ja irgendwie geschafft – also ich habe es natürlich gesehen, dass du auch viel mit Seil kletterst, klar, zum Training und auch wahrscheinlich zum Spaß, aber dennoch hast du ja ganz viel diese Solo-Dinge, wo halt kein Seil ist, wo du deine Eisgeräte hast, und mit den Eisgeräten kletterst du dann einfach hoch und unter dir ist halt einfach mal leer. Irgendwie musst du doch einen Weg gefunden haben, das zu regeln für dich.

Jost: Also erst mal würde ich natürlich sagen, dass die Angst ja nicht mein Gegner ist, sondern mein Freund. Die Angst erzeugt Fokus, Performance. Ohne diese Angst, die da zugrunde liegt, könnte ich gar nicht die Leistung bringen, die ich letztendlich vollbringe. Also manchmal bin ich ja 32 Stunden am Stück unterwegs nonstop und dann kann ich ja nur noch konzentriert bleiben, wenn ich Angst habe, sonst kann ich ja nicht meine Eisgeräte und Steigeisen noch präzise setzen nach all der Zeit. Zum anderen muss ich aber auch ehrlich gesagt gestehen: Da gibt es so ein interessantes Phänomen, und zwar wenn ich am Seil klettere, dann habe ich ja immer noch diese Angst vor Kontrollverlust, vor dem Sturz, vor dem Fliegen, vor dem Fallen auch in Kombination natürlich mit der Höhe, aber wenn ich ohne Seil klettere, dann ist mental irgendwie gar nicht die Option da. Da habe ich gar keine Angst, weil dann denke ich gar nicht erst drüber nach, zu stürzen.

Sebastian: Okay, das hört sich sehr interessant an. Ich hatte ja überlegt, so ein Sturztraining, wie du es in deinem Buch angesprochen hast, vorzuschlagen gegen Höhenangst, aber vielleicht hilft auch einfach, ohne Seil zu klettern, zum Beispiel beim Bouldern.

Jost: Da hat man viel weniger Angst, glaube ich, weil, man hat da viel mehr das Gefühl von Kontrolle. Du bist ja immer am Felsen.

Heute ist es schwer, sich selbst zu hören

Sebastian: So, habe ich schon mal das verstanden. Dann habe ich ein Zitat von dir: „Heute ist es schwer, sich selbst zu hören.“ Wie hörst du dich bei deinen Expeditionen und wie kannst du das in deinen Alltag übernehmen?

Jost: Ich denke, die Expedition ist das Gegenteil von Alltag. Auf der Expedition gibt es halt all diese äußeren Reizen nicht. Es gibt halt kein Internet, Fernsehen, was auch immer. Gut, Fernsehen schaut eh niemand mehr, aber Netflix und all diese Sachen. Es gibt halt keine Ablenkung und deswegen nehme ich persönlich für mich halt viele Dinge wahr, die ich so im Alltag bei der ganzen Reizüberflutung gar nicht wahrnehme. Das ist so ein bisschen wie so ein In-Sich-Hineinhören. Ja, ich denke, dass mir dann halt auch immer noch mal sehr, sehr grundsätzliche Dinge auffallen und dass ich anfange, Dinge zu verarbeiten, die man sonst vielleicht auch immer so ein bisschen verschiebt.

Sebastian: Du hast ja beim Bergsteigen ganz, ganz viel Stille. Und kriegst du da auch Erkenntnisse oder Eingebungen?

Jost: Ich würde sagen, ja, manchmal kommen große Erkenntnisse und es kommen Eingebungen und so, aber es sind eher die weniger intensiven Momente, in denen sowas passiert. Die anderen Momente sind eher so die extremeren, wo dann Fragmente deines Unterbewusstseins hervorbrechen und ich auf einmal vielleicht eine Seite von mir selbst kennenlerne, die mir sonst gar nicht so zugänglich ist, weil ich auf einmal vielleicht in einem Überlebensmodus bin und ganz anders funktioniere. Und dann ist es manchmal auch so ein bisschen überraschend. Dann denke ich so: „Wow, ich kannte diese Seite von mir gar nicht.“

Sebastian: Und diese Stille, die du da erlebst und auch dieses Sein mit dir und auch mit deinem Inneren – kannst du das auch ohne Bergsteigen irgendwie erfahren oder geht das wirklich nur am Berg?

Jost: Es geht primär gar nicht um den Berg bei diesem Erleben. Es geht primär darum, so eine Art Reizentzug zu erleben, und für mich geht es sehr viel um Verbindung mit Natur und Bewegung. Also wenn ich jetzt, keine Ahnung, durch einen Wald gehe und wandere und sei der Wald auch flach, könnte ich trotzdem wahrscheinlich in so einen Zustand gelangen.

Ohne Gefühle am Berg

Sebastian: Ja, okay, dann ist es wie bei mir. Also ich kann das auch beim Spazieren. Eigentlich brauche ich eine Tätigkeit, die relativ monoton ist, also ich muss irgendwas tun, was aber wenig schockierend ist oder halt wenig dramatisch, wie du das gerade beschrieben hast, und genau dann kommen die Momente, wo dann auch die schönsten Eingebungen, Erkenntnisse und auch die Stille kommt. Du hast gerade gesagt, dass du beim Klettern auch alles Unwichtige ausblendest. Deine Touren, hast du ja auch gerade gesagt, sind total tagfüllend und du blendest ja dann sozusagen eine sehr, sehr lange Zeit ganz schön viel aus. Was geht denn dabei in deinem Kopf vor? Was denkst du dabei?

Jost: Also ich denke mal, du hättest die Frage wahrscheinlich nicht schwieriger formulieren können. Ich versuche, es mal irgendwie herunterzubrechen. Wenn ich lange auf einer Expedition bin und am Berg bin und vielleicht auch einige Perioden habe, wo ich viel Zeit nur mit mir selbst verbringe, dann komme ich häufiger in so eine Art meditativen Zustand, in dem ich mich auf eine gewisse Art und Weise von mir selbst distanziere. Stelle dir das ein bisschen so vor, als würdest du die Welt nur so in Daten und Fakten wahrnehmen, aber irgendwie sind da keine Emotionen. Also wenn jetzt zum Beispiel der Wind losbrettert, mein Zelt sich verbiegt und das Wasser aus dem Kochtopf, dieser eine Liter, da in meinen Schlafsack reinfließt und es ist gerade eine Winterexpedition am Everest und es ist eigentlich brutal kalt und du willst das Wasser trinken und nicht gerade nachts in deinem Schlafsack haben, dann würde ich jetzt vermutlich viel mehr mich darüber ärgern in der jetzigen Situation und viel emotionaler reagieren, aber in diesem meditativen Zustand nehme ich das einfach nur so wahr und es ist eigentlich egal, eigentlich ist es aber auch nicht egal. Es ist eigentlich nur so ein Fakt. Das Ding ist da reingekippt – jetzt koche ich einfach neues Wasser und ich gehe mit der Situation um. Auf eine andere Art und Weise ist es natürlich auch so, dass ich häufig diese vielleicht Momente der Freude nicht so intensiv erlebe, wenn ich irgendwas erreiche, worauf ich lange hingearbeitet habe, oder ich habe einen besonderen Moment, dann ist es auch keine starke Emotion, die mich überkommt, sondern es ist vielmehr auch so ein Wahrnehmen und ein langes Nachwirken. Und häufig wirkt das alles dann erst viel intensiver, wenn ich zurück bin.

Der klare Blick am Berg sichert das Überleben

Sebastian: Kannst du dich dann da auch irgendwie so selbst beobachten? Also es hört sich ein bisschen distanziert an von dem, wie man sonst ist, also wie ich zum Beispiel in meinem Alltag bin. Kannst du das so als Beobachter sehen oder ist das was ganz anderes?

Jost: Ich denke, es ist einfach so ein bisschen so, als würde ich die Welt viel, viel rationaler wahrnehmen und viel ehrlicher und ungeschminkter in den guten und auch schlechten Seiten. Es ist so ein bisschen so, als wenn dadurch, dass ich jetzt mit meinem Überleben beschäftigt bin, es wirklich halt alles auf das Rohmaterial reduziert ist – irgendwie so ein klarer Blick.

Sebastian: Das heißt, das Werten geht auch so in den Hintergrund, also das ist einfach nur ein Sein wahrscheinlich, oder?

Jost: Ja, ich denke, das beschreibt es sehr gut.

Sebastian: Okay, aber ich stelle mir das so vor: Wenn du dann so läufst, du läufst und läufst und läufst und natürlich musst du manchmal was tun, nehme ich an – also ich bin da Laie am Berg, aber du wirst ja auch Strecken haben, da bewegst du dich einfach. Und was passiert da in deinem Kopf? Denkst du irgendwas oder bist du einfach und läufst?

Jost: Also prinzipiell sind die Strecken, in denen man einfach nur so läuft, sehr selten. Gerade wenn man komplexe Projekte hat, gibt es ja dann noch viele Sektion, zum Beispiel ist hier eine Einschlaggefahr oder eine Lawinengefahr oder jetzt kommt eine schwierige technische Kletterstelle. Bedeutet, wann immer es erhöhtes Risiko gibt, dann bin ich auch viel mehr in einer gewissen Alarmbereitschaft, die sich um dieses Risiko dreht, aber, ja, wenn es Momente gibt, die weniger intensiv sind, die einfach nur laufen, dann ist es jetzt nicht so, dass ich versuche, an diese anderen Momente zu denken, die da vor mir sind oder die da hinter mir sind, sondern ich versuche wirklich, im Moment zu sein. Denn wenn du vor einem Achttausender stehst und du weißt, es sind noch vielleicht vier vertikale Kilometer, die du hoch musst, und du hast jetzt vielleicht davon wenige Prozent nur geschafft, kann es unglaublich hart sein, alleine schon mental darüber nachzudenken, was da noch alles kommen wird. Und ich denke, für mich ist der Ort einfach am besten, an dem ich loslasse, dass da noch diese Zukunft auf mich wartet, indem ich einfach nur in diesem Moment bin, indem ich mich einfach nur bewege, indem ich einfach nur da bin. Und dadurch wird das alles auch viel, viel leichter und machbarer irgendwie. Also es ist so eine Erkenntnis, die habe ich erst sehr spät getroffen. Früher habe ich immer gedacht: „Und dann kommt die Stelle und dann kommt die Stelle und hier“, und so weiter und habe nebenbei vielleicht schon von fünf weiteren Expeditionen geträumt, die alle noch in der Zukunft stattfinden würden. Aber diese Kunst, wirklich im Moment zu sein, darin habe ich sehr viele Ressourcen entdeckt und viel mentale Stärke gefunden und ich performe einfach viel besser, wenn ich mich im Hier und Jetzt befinde.

Neugier und Offenheit um Grenzen zu verschieben

Sebastian: Und wie hast du das geschafft, dann wirklich diesen Schritt zu machen, dass du die Fähigkeit hast, im Hier und Jetzt zu sein? Hängt das mit Japan und deinem Aufenthalt da zusammen?

Jost: Ich denke, letztendlich haben mich viele Dinge in meinem Leben geprägt, und dadurch, dass ich einfach sehr neugierig bin und prinzipiell so offen bin, sehe ich halt auch viele Dinge. Und, ja, in Japan habe ich spannende Sachen mitgenommen, ich habe aber auch in vielen anderen Teilen der Welt viele spannende Sachen mitgenommen. Und ich würde sagen: Auf eine gewisse Art und Weise – wenn man richtig erschöpft ist, dann verfällt man manchmal eben in diesen Zustand ganz natürlich. Aber ironischerweise: So richtig klar mich damit befasst habe ich erst, als ich ein Buch von Reinhold Messner gelesen habe. Und da schrieb er, wie er durch die Antarktis gegangen ist und das sah immer alles gleich aus. Das sah immer alles gleich aus, jeden Tag nur gleich, immer nur laufen und man hat irgendwie nichts gesehen. Und da hat er geschrieben, dass er einfach loslassen musste mit der Strecke, die sie schon zurückgelegt hatten, mit der Strecke, die noch davor war, dass er einfach nur sich auf diesen Moment konzentrieren musste, um dann halt wirklich dazu in der Lage zu sein, das Ziel zu erreichen. Und das hatte mich so inspiriert, dass ich einfach versucht habe, das Ganze bewusster in meinem Bergsteigen, in meinen Workouts, auch in meinem Training zu implementieren. Ich mache ja auch ganz viel Training. Das ist ein großer Bestandteil. Und ich habe das dann halt häufiger einfach visualisiert, so wie der Reinhold da einfach so durch die Antarktis stapft und alles gleich aussieht und sich jetzt aber eigentlich nur so voll auf den Moment konzentriert. Und das hat mir viel geholfen.

Sebastian: Ja, krass. Das ist wirklich sehr hilfreich, was du da sagst. Ich habe mich ja im Vorfeld intensiv mit dir beschäftigt, was sehr aufwendig war, weil du sehr viele Interviews gegeben hast, auch schriftlich und auch natürlich auf YouTube oder als Podcast, dann habe ich noch dein Buch gelesen – auch sehr inspirierend – und konnte da tatsächlich für mein Training auch eine ganze Menge mitnehmen, also wie man Grenzen verschiebt. Es ist natürlich ein anderer Stil, Grenzen zu verschieben, als du das machst, aber dennoch total nützlich und das hilft jetzt noch mal ein Stück weiter. Vielen Dank für das Teilen.

Jost: Ja, cool.

Wie Jost mit Krisen bei seinen Expeditionen umgeht

Sebastian: Du hattest ja auch so Krisen angesprochen und ich hatte auch mal in einem Interview gehört, dass du deine Route auch in Zonen einteilst – du hast es auch, glaube ich, gerade gesagt – von „harmlos“ bis „höchste Konzentration nötig“. Und das machst du auch, um Fehler zu vermeiden, und dadurch blendest du auch alles Unwichtige aus. Da hast du auch gesagt, du verlierst halt komplett das Zeitgefühl. Das spricht ja auch dafür, was du gerade gesagt hast, und du hast auch für unvorhergesehene und brenzlige Situationen eine Checkliste im Kopf. Da bin ich sehr gespannt, was diese denn beinhaltet und ob du die auch außerhalb vom Klettern nutzt.

Jost: Checkliste? Ich erinnere mich gerade nicht, wo ich das gesagt habe, aber vielleicht klang das mehr so: „Ich glaube, ich bräuchte dringend mal eine Checkliste zum Packen, weil da vergesse ich ständig wichtige Sachen.“ Aber lass mich mal überlegen.

Sebastian: Das war tatsächlich in Notfällen, also wenn jetzt wirklich was ganz schiefgeht, dann wirst du ja total ruhig, wächst über dich hinaus und hast da halt irgend so eine Checkliste, die du durchgehst, damit du genau weißt, was zu tun ist in dem Moment. Und dadurch löst du dich ja von der Emotionalität und bist komplett fokussiert auf die Lösung.

Jost: Okay, also mit der Checkliste, muss ich ehrlich gestehen, bin ich mir gerade nicht hundertprozentig sicher. Es ist schon so eine Art innere Checkliste vorhanden, aber es ist nicht so, dass die irgendwie immer gleich ist, sondern es ist immer etwas – nehmen wir an, es gibt eine Krise, dann ist es immer ein lösungsorientiertes Handeln. Das, was dich letztendlich traumatisiert in einer Krise, ist das Gefühl vor Handlungsunfähigkeit. Sobald ich also weiß: „Okay, ich mache diesen Plan“, kann ich aktiv mit dieser Krise umgehen und letztendlich meine Chancen für ein positives Outcome erhöhen. Hast du eine Beispiel-Krise für mich, dass wir das einfach mal gerade durchgehen können?

Sebastian: Eine Beispiel-Krise bei dir? Ja, da fällt mir ein, nämlich du bist auf der Gletscherspalte oder zwischen zwei Gletscherspalten und wachst nachts auf und dein Zelt bewegt sich und du musst es dir schnappen. Ich glaube, das ist eine Krise.

Jost: Okay, ja, Krise: Ich liege im Zelt, das Zelt ist aus der Verankerung gerissen, ich rutsche auf eine Gletscherspalte zu im Zelt – ist natürlich die Initialreaktion erst mal, das Zelt zum Stoppen zu bringen. Also das passiert dann ganz natürlich. Du springst halt aus dem Zelt raus nachts in Unterwäsche und dann stehe ich da mit diesem Zelt und rutsche langsam auf die Spalte zu. Ich denke, in dem Moment, da war natürlich erst mal das Gefühl: „Okay, ich habe eine Krise. Jetzt muss ich handeln. Ich muss irgendwas tun“, also habe ich geschaut um mich herum: Was für Optionen habe ich und welche Optionen bringen die besten Chancen? Und in der Reihenfolge habe ich sie quasi abgearbeitet ganz natürlich. Erst mal habe ich geschaut: Kann ich das Zelt wieder verankern? Ging nicht. Dann habe ich geschaut: Gut, kann ich vielleicht irgendwie ein bisschen was in dem Schnee graben oder so, um eine Verankerung zu kreieren? Ging auch nicht. Und so weiter ungefähr. Das Problem bei genau dieser Situation war natürlich nachher, dass es einfach keine Lösung gab. Ich bin also alles durchgegangen systematisch, was mir einfiel, und als ich dann festgestellt habe, dass es keine Option mehr gab, ist es so ein bisschen eher panisch geworden. Wenn ich sage hier: „Ich bin dein Krisencoach“, oder so, dann würde ich natürlich sofort sagen: „Vermeide Panik“, und so weiter, aber in dem Moment kam schon eine leichte innere Panik auf, weil ich konnte einfach nichts mehr machen. Wenn es etwas noch so kleines zu tun gegeben hätte, hätte ich das gemacht und das hätte mich total beruhigt, aber in dem Moment rutschte ich einfach nur weiter mit dem Zelt auf die Gletscherspalte zu. Und ich bin jetzt kein gläubiger Mensch, aber, ich sage mal, die Krise war so groß geworden, dass ich dann als die letzte Handlungsoption das Beten in Betracht gezogen habe und auch tatsächlich gebetet habe, weil mir das irgendwie immer noch besser vorkam, als nichts zu tun. Also wie du siehst, ist mein Ansatz bei der Krise natürlich, konstant irgendwas zu tun. Selbst wenn ich gar nichts mehr tun kann, dann bete ich den Gott, doch, ich sage mal, sich zu zeigen und mich zu retten in dieser letzten Minute. Ja, und ich meine, die Situation ist natürlich dann so ausgegangen, dass, nachdem ich Gott um Hilfe gebeten habe, der Wind aufgehört hatte zu wehen für einen kurzen Moment und dann ist mir eingefallen: „Moment, Bedingungen haben sich verändert. Jetzt kann ich mich ja auch bewegen. Das Zelt bläst mich nicht mehr weg“, und bin in eine Gletscherspalte reingesprungen. Das waren jetzt für mich so ganz natürliche Handlungsmuster, die natürlich in mir abgelaufen sind. So Stufen fast schon: Wo bringt meine Arbeit, wo bringt man Einsatz das größte Ergebnis? Falls jetzt deine Frage ist, ob ich danach gläubig geworden bin: Nein, aber –

Sebastian: Das weiß ich schon.

Jost: Okay, gut. Ja, aber das ist jetzt natürlich, ich denke mal, eines der wenigen Szenarien, in dem ich bewusst Zeit hatte, etwas zu tun, wo ich aber dann gesagt habe: „Ich weiß eigentlich gar nicht mehr, was ich tun soll.“

Jost Kobusch als Meister der Anpassung

Sebastian: Ja, das ist sehr interessant. Für mich bist du nämlich ein echter Meister der Anpassung. Also du hast das ja auch beschrieben hier, wie du in der Schule warst früher und hast halt festgestellt: Okay, du musst jetzt erst mal deine Zeit hier verbringen. Und ab dem Moment hast du einfach intensiv mitgearbeitet und wurdest dann innerhalb kürzester Zeit zum Jahrgangsbesten. Und das ist natürlich auch ein faszinierender Ansatz, generell zu leben. Wie gehst du denn bei dieser Anpassung an die Rahmenbedingungen sonst vor? Also kannst du das auch in deinen Alltag übertragen? Und wenn ja, wie?

Jost: Ich würde dieses Prinzip „Effizienz durch Faulheit“ nennen. Also ich sage mal so: Das erwartest du jetzt vielleicht nicht als Antwort, aber ich denke, ich bin von Natur aus sehr faul und deswegen frage ich mich natürlich immer: Wo kann ich mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Ergebnis erzielen? Und das mache ich natürlich auch im Alltag, genau wie ich das in der Schule früher gemacht habe, weil – jetzt ganz ehrlich – nachher der Beste zu sein, war viel weniger Aufwand, als der Schlechteste zu sein.

Sebastian: Auf deiner Website bietest du ja ein kostenloses eBook an mit dem Titel „Effizienz durch Faulheit“. Das habe ich mir auch runtergeladen. Finde ich sehr inspirierend, also wirklich mega, auch super aufgebaut, ganz tolle Bilder drin, und dennoch nehme ich bei dir aber eine sehr, sehr, sehr große Disziplin wahr. Wie passt denn bei dir diese Disziplin mit der Faulheit zusammen?

Jost: Ich denke, paradoxerweise kommt die Disziplin aus der Faulheit.

Sebastian: Okay, verstehe.

Jost: Ich weiß einfach: Wenn man hart arbeitet, ist das Leben leichter und dann kann man auch viel fauler sein.

Sebastian: Planst du denn, darauf aufzubauen mit einem Webinar oder irgendwie Coaching-Angebot? Aktuell, jetzt Stand heute, war deine Website diesbezüglich noch ziemlich leer.

Jost: Also wer weiß, was da noch kommt. Ich habe es jetzt gerade nicht vor, muss ich gestehen. Es ist einfach nur so ein kleiner Leckerbissen, den ich da einfach mal anbiete zur allgemeinen Belustigung und natürlich auch zur persönlichen Weiterentwicklung der Faulheit, aber wer weiß, was da noch kommt.

Effizienz durch Faulheit – Arbeiten nach dem Pareto-Prinzip

Sebastian: Ja, cool, also mir wird es auf jeden Fall Spaß machen, da mehr von dir zu hören, weil ich glaube, du bringst da ziemlich viel mit, was in der Kombination extrem spannend ist. Du sprichst auch von „Effektivität als Gewohnheit“. Welche Gewohnheiten hast du denn noch für dich etabliert, die hilfreich sind?

Jost: Also ich breche das Ganze mal runter, aber letztendlich ist die Aussage ja einfach nur, dass Effektivität etwas ist, was man regelmäßig implementieren muss, damit es halt funktioniert. Kennst du das Pareto-Prinzip?

Sebastian: Ja, klar.

Jost: Also das Pareto-Prinzip, das ist einfach tagtäglich bei mir in allem, was ich tue, vorhanden. Welche 20% meines Einsatzes bringen 80% des Ergebnisses? Weil Pareto sagt ja: Wenn ich 100% Ergebnis erreichen möchte, muss ich noch mal 80 Prozent mehr Energie investieren. Also es ist ganz simpel, das zu implementieren, und hin und wieder schaue ich auch einfach mal ungefähr auf alle Checklistenpunkte, die in meinem eBook stehen. Also was mache ich denn jetzt eigentlich gerade? Und bringt mich das weiter? Und wenn mich das nicht weiterbringt, dann eliminiere ich auch ganz viele Dinge. Corona hat mich zum Beispiel jetzt unglaublich weit gebracht jetzt in der Effizienz, denn vorher bin ich auf ganz viele Meetings rumgereist, habe viel Reisezeit verbracht und jetzt habe ich die einfach mal alle gecancelt und habe viele Sachen einfach komplett gecancelt und gesagt: „Das können wir auch online machen“, und ich bin da viel effizienter geworden. Also es gibt da viele Dinge, die man in Blocks zusammenfassen kann – Reiseblöcke oder auch zum Beispiel der Donnerstag, der ist bei mir zu so einem kleinen Interview-Podcast-Tag geworden und jetzt mache ich das nicht mehr so, dass ich an jedem Tag sage: „Okay, ja, wir können heute eine Podcast-Aufnahme machen“, sondern dass ich sage: „Hey, das geht nur donnerstags“, und die anderen Tage mache ich das nicht und dann werden sie halt nicht durchbrochen von den anderen Aktivitäten. Ich bündle also alles, mache es planbarer, mache es effizienter, komprimiere alle anderen Daten. Das sind so kleine Sachen, die bei mir auch Effektivität erzeugen.

Sebastian: Ja, hört sich echt sehr beeindruckend an, wie du das alles managst. Was mir ein bisschen Sorge macht, ist wohl, wenn du von Pareto-Prinzip sprichst und dann auf diese Touren gehst, aber ich denke, da wirst du wahrscheinlich in dem Fall ein bisschen anders vorgehen manchmal.

Jost: Da können wir das sicherlich umkehren. 80% der Arbeit gleich 20% des Ergebnisses.

Erfolgsfaktor bei Expeditionen

Sebastian: Ja, ja, das passt da mehr. Wenn man jetzt auf deine ganzen Expeditionen schaut, siehst du da deine Gedanken als Erfolgsfaktor oder sind es deine Gefühle?

Ich bin eher jemand, der sehr rational funktioniert, und ich denke, meine Stärke liegt eher darin, mich von meinen Gefühlen zu distanzieren, weil letztendlich: Am Ende des Tages besteige ich ja irgendeinen bedeutungslosen, eisbedeckten Steinhaufen. Es macht keinen Sinn, was ich da tue. Ich produziere nichts, ich hinterlasse nichts. Alles, was ich tue, ist rein egoistisch. Ich möchte auf diesen Berg hoch. Und wenn ich mich sehr von meinen Gefühlen leiten lassen würde, dann gibt es natürlich auch viele Gefühle, die sagen: „Hey, das macht gar keinen Sinn. Du bist so weit weg von zu Hause. Du hast so viel geopfert“, und so weiter. Ich bin da aber jemand, der sehr, sehr rational funktioniert und sagt: „Das ist das Ziel, das sind die Parameter, das ist das, was ich erreichen möchte, das ist das Zwischenziel“, und ich liebe auch dieses Planen und dann noch diese ganzen Stellschrauben, die es in solchen Projekten und im Leben einfach gibt – so dieses ganze Fine-Tuning. Da gehe ich einfach auf.

Sebastian: Und welche Gedanken bringen dir denn deinen Erfolg oder führen dich zu deinen Zielen? Ich habe wohl gelesen, dass du sehr, sehr positiv denkst. Hast du da noch irgendwas? Also Zweifel haben natürlich bei dir auch recht wenig Platz. Wie geht das?

Jost: Also ich würde sagen, manchmal zweifle ich schon. Zweifeln ist menschlich. Ich habe eher so ein bisschen die Policy, dass auch die negativen Sachen immer was Gutes sind. Also nehmen wir mal die Zweifel als Beispiel. Wenn ich so ein richtig großes Projekt habe, wie zum Beispiel das Everest-Winter-Soloprojekt – wenn ich da keine Zweifel dabei habe, ist das Projekt nicht groß genug. Also dann ist das Projekt nicht so groß, dass ich mich als Mensch dadurch weiterentwickeln kann. Wenn ich zu viele Zweifel habe, ist es vielleicht eine Nummer zu groß. Und wenn dann jetzt irgendetwas sehr, ich sage mal, Negatives auf der Expedition passiert, dann liegt es einfach an meiner Weltanschauung und an meiner Philosophie, dass ich das gar nicht als was Negatives wahrnehme. Im Grunde ist es ganz simpel. Nehmen wir mal ein sehr einschneidendes Erlebnis, was ich 2015 hatte – du weißt das – diese Lawine im Everest Base Camp.

Sebastian: Ja.

Jeder Rückschlag ist gleichzeitig eine Chance

Jost: Ich bin im Everest Base Camp, es ist ein Erbeben von fast Stufe 7, plötzlich kommt eine riesige Lawine, rast auf mich zu und lässt mich für einen kurzen Moment wirklich glauben, dass ich sterben werde. Es sterben tatsächlich auch viele Menschen, viele sind verletzt, reines Chaos. Und, natürlich, jenseits der Nahtoderfahrung ist auch die Expedition gescheitert. Und damals, ich meine, da war ich noch kein Vollprofi. Ich hatte auch 50% meines eigenen Geldes investiert in diese Expedition. Ich wollte meinen ersten Achttausender machen, also eigentlich ein volles Desaster, diese Lawine, in jedweder Hinsicht. Menschen sind gestorben, mein Projekt konnte nicht stattfinden – eigentlich die komplette Niederlage. Schlimmer geht es eigentlich gar nicht, weil, ich hatte alles Geld, was ich hatte, investiert. Ja, ich sage mal, mit dem Expeditionsende habe ich vorher auf keinen Fall gerechnet, aber letztendlich ist es einer der besten Tage meines Lebens. Und jetzt bist du vielleicht ein bisschen erschrocken und sagst: „Warum?“, aber für mich ist diese Nahtoderfahrung das, was mir so eine Art, ich sage mal, Wiedergeburt ermöglicht hat, was mir gezeigt hat: „Hey, Jost, du willst ja eigentlich Profi-Bergsteiger werden.“ Und zu dem Zeitpunkt habe ich diese Profi-Bergsteigerkarriere abgetan gehabt. Ich dachte: „Mach lieber was Vernünftiges. Studiere, folge einem fest ausgebauten Weg in der Gesellschaft und versuche nicht irgendwie, das mit dem Profi-Bergsteigen. Das ist so viel Unsicherheit“, und damit meine ich jetzt nicht Risiko für mein Leben, sondern ich meine halt auch diese strukturelle, finanzielle Unsicherheit. Ich zahle ja nicht in die Rentenkasse und ich melde mich ja nirgendwo an für einen Kurs zum Profi-Bergsteiger und nach drei Jahren weiß ich, ich kriege so und so viel Gehalt oder so. Aber diese Nahtoderfahrung, die hat mir halt wirklich gezeigt: „Jost, weißt du, du kannst immer noch später Medizin studieren. Alles, was ab jetzt passiert, ist ein Bonus. Und mach das, was du wirklich machen möchtest, sonst wirst du es bereuen“, und ich habe dann aus diesem negativen Erlebnis eigentlich den Schluss gezogen, dass ich mein Leben verändern möchte. Und so ist auch jedes andere „negative“ Erlebnis, denn jedes Erlebnis, was eigentlich ein Rückschlag ist, ist gleichzeitig natürlich eine großartige Chance und ein super Lerneffekt.

Sebastian: Hast du da auch abgeleitet, worum es dir im Leben geht? Geht es dir darum, Spaß zu haben, deine Grenzen zu verschieben, Erlebnisse zu haben und Erfahrungen zu machen, oder was ist es bei dir?

Jost: In meinem Leben geht es um die konstante Entwicklung. Ich liebe das, neue Dinge zu lernen, mich weiterzuentwickeln, aber natürlich auch dieses Erlebnis. Ich weiß nicht, ob das Erlebnismaximierung ist. Es ist so, das Leben halt voll und ganz auszukosten, denn ich denke, ich habe lange Zeit so nach dem Sinn des Lebens gesucht und sonst was und irgendwann habe ich festgestellt: Also keine Ahnung, aber es gibt keinen Sinn des Lebens. Das war so irgendwann meine ernüchternde Feststellung. Und dann habe ich mir gedacht: „Weißt du, wenn es schon keinen Sinn gibt, dann genieß es doch wenigstens, so gut du es kannst, und mach das meiste draus und hab die meiste Freude, die du haben kannst. Habe aber auch die meiste Angst, die du haben kannst und, weißt du, geh einfach auch Risiken ein.“ Das ist ja das Leben und ich liebe diese Intensität und aber auch die Einfachheit. Ich finde all diese Facetten so spannend und deswegen lebe ich auch so intensiv.

Sebastian: Ja, das hört sich auf jeden Fall gut an. Also das teile ich mit dem Sinn des Lebens. Ich glaube, der Sinn des Lebens ist tatsächlich, Freude zu haben, oder wie du es beschreibst, das war noch besser ausgedrückt. Also, ja, das kann ich durchaus für mich auch unterschreiben. Gibt es dennoch auch Aufgaben oder Tätigkeiten in deinem Leben, die du einfach machen musst, beziehungsweise die dir wenig Spaß machen? Wie gehst du diese an? Pareto-Prinzip?

Jost: Nein, nein, nein, da wird das Pareto-Prinzip auch nicht so nützen. Dinge, die mir keinen Spaß machen, werden eliminiert eiskalt.

Sebastian: Sehr gut, sehr gut.

Jost: Also das ist ganz simpel. Die werden dann entweder komplett eliminiert oder die werden outgesourct, also ich finde irgendwie jemand anderen, der das für mich macht. Jetzt ist es natürlich so, dass ich prinzipiell jemand bin, der sehr viel Lust auf das Leben hat und eigentlich Spaß an, ich sage mal, den meisten Dingen hat. Also das passiert eher sehr selten oder wenn es passiert, dann passiert es ja eigentlich gar nicht, weil es ist schon eliminiert.

Mount Everest Winter Solo 2021 / 2022

Sebastian: Ja. Im Winter 2021 / 2022 planst du laut meinem Kenntnisstand, den Mount Everest solo ohne Sauerstoff sowie ohne Träger zu besteigen. Welche Abenteuer sind nach einer solchen Besteigung noch übrig auf dieser Welt, die dich reizen? Ich weiß, du wirst jetzt sagen, du machst einen Versuch, hochzuklettern, und es kann auch sein, dass du wieder umkehrst, aber dennoch: Welche Abenteuer bleiben?

Jost: Ja, erst mal noch dazu, dass die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr hoch ist, dass ich den Gipfel nicht erreiche: Denn das Prinzip ist natürlich auch, das Ziel gleich schon so hoch zu setzen, dass es auch möglichst lange hält, weil wenn du es frühzeitig erreichst, dann tötest du es und dann musst du dir ein neues suchen und dann sind wir bei dem Dilemma: „Was kann man denn noch machen?“, und so.

Sebastian: Genau.

Jost: Und deswegen habe ich das schon extra bewusst sehr hart gewählt, um mir möglichst viel, ich sage mal, künstlichen Sinn im Leben zu geben, der möglichst lange hält, bevor ich mir einen neuen künstlichen Sinn im Leben gebe. Und es gibt erstaunlich viel. Ich fände es zum Beispiel sehr spannend, mal Dinge in der Antarktis zu tun. Ich würde das jetzt mal so als den letzten sehr, sehr abgelegenen Kontinent unserer Welt bezeichnen, in dem man halt auch wirklich noch so Exploration-mäßig unterwegs ist so, in dem man vielleicht sich auch überlegen muss, Ausrüstung komplett neu zu konzipieren, in dem man neue Sachen entdecken kann. Und so ein insgeheimer Traum von mir wäre natürlich auch, irgendwann mal vielleicht im Weltraum bergsteigen zu gehen. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich zu alt dafür. Ich werde ja auch nicht mehr jünger, aber, sagen wir, meine Neugierde ist natürlich weiter als nur das Bergsteigen. Ich bin ja jemand, der auch irgendwie tauchen geht oder reiten und segeln und so weiter und ich würde halt sehr gerne mal den Weltraum besuchen – zumindest besuchen.

Sebastian: Ja, das lässt sich sicher irgendwann mal einrichten, wenn du da wirklich deinen Fokus draufsetzt.

Jost: Ja, jetzt erst mal ist der Fokus natürlich auf meinem anderen Sinn des Lebens: Everest Winter.

Was ist mit dem Ego passiert?

Sebastian: Ja, dann zum Ende noch die Frage: Was ist mit deinem großen Ego passiert, das du im Buch im Kapitel „Der junge Wilde“ beschreibst? Ist das fort oder ist das noch da?

Jost: Mein großes Ego – schwierig zu sagen. Vielleicht ist es ja auch ein bisschen Wunschdenken, zu sagen, mein Ego ist verschwunden. Vielleicht ist es auch noch irgendwo und gibt mir ganz viel Motivation, weil ich mich dann umso geiler fühle. Ich weiß es nicht. Ich finde es schwierig. Auf eine gewisse Art und Weise glaube ich einfach daran, dass man ein großes Ego braucht, um unglaublich große Performance zu erreichen, weil es ja diese Transformation ist, die man anstrebt, weil man jemand werden möchte, weil man diese Skills lernen möchte, weil man diesem Bild des Egos entsprechen möchte. Auf die andere Art und Weise glaube ich aber auch, dass das Ego irgendwie hinderlich sein kann, wenn es einen daran hindert, irgendwie in der Realität zu bleiben. Also ich denke, das Ego ist auf jeden Fall noch da, aber ich denke, dass mit dem Bewusstsein über das Ego auch viel mehr Kontrolle, Nutzen und Ergebnis daraus wird. Ein Ego kann man sich ja auch, ich sag mal, vor den Wagen spannen und nicht andersrum.

Sebastian: Hört sich auf jeden Fall nach einer guten Einstellung an, die du da mitbringst. Ja, lieber Jost, dann danke ich dir für deine Zeit, die du heute hattest für dieses Interview. Für mich war es total interessant, mal mit einer Person wie dir zu sprechen und auch die ganzen Fragen mal loszuwerden, und ich wünsche dir weiterhin viel Freude bei allem, was du tust, viele wunderbare Erlebnisse und eine bewusste Zeit.

Jost: Ja, danke dir, Sebastian. Falls dir noch irgendwelche Fragen einfallen sollten oder falls euch Zuhörern noch irgendwelche Fragen einfallen: Ihr könnt mir auch immer gerne schreiben. Ich beantworte all meine Nachrichten selber. Das macht mir sehr viel Spaß, deswegen habe ich es nicht eliminiert.